Wieviel hat Platz im Leben einer Frau?
Für die einen die „Seniorchefin“, für die anderen die „Oma“, für alle aber eine faszinierende Frau mit Charisma und Geschichte – Marianne Scheiblauer. Im Dirndl, stets adrett und ein Lächeln auf den Lippen, geht sie noch heute, mit 84 Jahren, mit offenen Augen und regem Geist nicht nur durchs Leben, sondern auch durch den Betrieb, der seit Generationen in Familienbesitz ist.
Sie war heuer schon in Marokko, auf Zypern und am Gardasee und hat an acht Opernfahrten teilgenommen. „Erst unlängst war ich in der Semper Oper in Dresden, da haben sie den ‚Freischütz‘ gegeben. Eine Freude, diesen Stimmen zu lauschen“, schwelgt Marianne Scheiblauer in der Erinnerung an den Musikgenuss. Es fühle sich für sie immer noch ein wenig sonderbar an, Zeit für ihre Hobbies zu haben, gesteht sie mit ihrem eigenen Lächeln. „Jetzt, wo ich nicht mehr arbeiten muss, nehme ich mir die Freiheit, mein Leben zu genießen, und zwar so, wie ich es mag“.
Marianne hat ihr ganzes Leben lang gerne und viel gearbeitet
Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen
Gearbeitet hat Marianne Scheiblauer weiß Gott genug in ihrem Leben. Schon von ihrer Mutter wurde sie gefördert, aber auch gefordert. Als sie mit 22 Jahren mit ihrem Hans vor den Traualtar trat, konnte sie eine fundierte Ausbildung vorweisen. Sie hatte die Handelsschule abgeschlossen und eine lukrative Anstellung bei einem Steuerberater angenommen. Als Hans den elterlichen Hof übernahm, war Mariannes Einkommen die finanzielle Basis für das Leben der jungen Familie. Sie schaffte es, die Hofarbeit, ihren Beruf und die Familie unter einen Hut zu bringen. Viel Zeit für Schlaf blieb nicht, von den sogenannten „schönen Dingen des Lebens“ konnte sie nur träumen. Diese schönen Dinge holt Marianne nun ausgiebig nach. Doch nur genießen ist nichts für sie. Auch im hohen Alter lernt und arbeitet sie für ihr Leben gern. Und so hat sie, seit sie sich im (Un)Ruhestand befindet, die Ausbildung zum Most-Sommelier gemacht und einen Kirchenführer- sowie einen Seniorenpastoralkurs absolviert. Marianne hat in Seitenstetten die Schreibwerkstatt besucht und verfasst seither Gedichte. Die Liebe zum Malen hat sie ebenfalls entdeckt. Und natürlich ist da noch Handarbeiten und Basteln, das gehört schon seit der frühen Jugend zu ihren Leidenschaften.
Marianne und Johann heirateten am 14. August 1961
Große Ideen und ihre Umsetzung
Stillstand war nie ihr Ding. „Ich hatte mein ganzes Leben lang viele Ideen“, erinnert sich Marianne zurück, „wollte diese aber nie alleine umsetzen. Es war für mich ein großes Geschenk, Hans an meiner Seite zu haben. Auch er war voller Tatendrang und zudem ein ‚Macher-Typ‘. Als Team packten wir die Dinge gemeinsam an und zogen sie durch“. Wenig abgewinnen kann die Marianne von heute den aktuellen Methoden zur Entscheidungsfindung. Etwas skeptisch blickt sie manchmal auf die Diskussionen ihrer Nachfahren, wenn es um neue Projekte und zukunftsweisende Entscheidungen geht. „Hans und ich haben nicht viel d’rum herumgeredet. Wir hatten eine Idee, und die wurde dann in die Tat umgesetzt. So war das. Ohne viel Tamtam“. Bei allem, was die beiden vorantrieben, stand nie das Streben nach Geld im Vordergrund. Innovation und ein freier, weiter Geist war ihnen bei ihrem Tun immer wichtig. Hatten sie mit einer Sache Erfolg, wurde umgehend an neuen Ideen gefeilt. Stillstand bedeutet Rückschritt, damals wie heute. Bei ihren Mitmenschen stießen Marianne und Hans damit auf wenig Verständnis, doch sowohl der Fleiß als auch der Mut zu innovativen Entscheidungen machte sich für sie bezahlt und gab ihnen Recht.
Mit Fleiß, Gespür und Einsatz Großes geschaffen
Wer reichlich sät, wird reichlich ernten
Das Unternehmen florierte, der Vierkanthof war lange einem Gasthof mit Beherbergung gewichen. Bei einem Umbau 1969 wurden großzügige Badezimmer konzipiert, die damals ihresgleichen suchten und bis heute von der Größe her unverändert geblieben sind. Von nah und fern kamen die Gäste ab den 1970er Jahren in die Kothmühle. Der gute Geist des Hauses: Marianne! Sie umsorgte die Gäste, stand in der Küche, presste Säfte, richtete Festivitäten aus und managte so ganz nebenbei die inzwischen sechsköpfige Familie. Der Betrieb wuchs, der Restaurantbesuch boomte, erwirtschaftetes Geld wurde wieder investiert, Um- und Zubauten waren an der Tagesordnung. Ihren Beruf als Bürokraft hatte Marianne inzwischen aufgegeben.
Die Zukunft ist weiblich - vier Generationen Scheiblauer
Saft, Schnaps und Urenkerl
War es für Marianne und ihren Mann 1969 das Normalste der Welt, den Betrieb nach der Übernahme von den Eltern umzubauen und umzugestalten, so fiel Marianne der Umbau des Hotels, den Hannes und seine Frau Christiane 2015 vornahmen, nicht ganz leicht. „Es war nicht einfach, mitanzusehen, wie das von Hans und mir Geschaffene weichen musste und durch Neues ersetzt wurde. Oft hab‘ ich mich in dieser Zeit selbst ermahnt, mir nicht jetzt – mit all der Erfahrung meines Lebens – Stillstand zu wünschen“. Ein gemeinsamer Ruhestand war Hans und Marianne, die seit ihrer Heirat kaum einen Tag getrennt waren und als Team zielstrebig durch’s Leben gingen, leider nicht vergönnt. Bevor Hans nach langer Krankheit 2004 verstarb, galt es, noch einen gemeinsamen Plan umzusetzen. Marianne sollte noch einmal lernen, und zwar von ihrem geliebten Ehemann. Alles, was seit Generationen in seiner Familie weitergegeben wurde und was sie noch nicht wusste. Dazu gehörte auch das Brennen von Schnaps. Zwar hatte sie immer mitgeholfen, aber alleine, ohne Hans, das ganze Obst zu verarbeiten, war eine Herausforderung. Immerhin hatten die beiden Jahre zuvor an die 400 Obstbäume und viele Beeren gepflanzt. Marianne schaffte auch diese Hürde.
Nach altem Rezept und in überlieferter Familientradition produziert sie bis heute. Nichts ist der „Seniorchefin“ wichtiger, als dass der Betrieb in Hans‘ und ihrem Sinne weiter besteht und von den nachfolgenden Generationen weitergeführt wird … fast nichts. Es sind ihre Ur-Enkerl, drei an der Zahl, die das Herz der rüstigen 84-Jährigen schneller schlagen lassen. Morgen ist sie wieder mit dem Kinderwagen unterwegs. Doch bis die Kleinen eintreffen, muss noch schnell der gestern geerntete Holler zu Saft verarbeitet werden. Marianne kann nicht anders – Arbeit ist ihr Leben!
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Fotocredits:
Foto Marianne in rot, Schnapsflaschen: weinfranz
Foto Marianne mit Familie, mit Schnapsgals und beim Birnenbaum: Doris Schwarz-König
Foto Hochzeit: RelaxResort Kothmühle